In den Jahren 2006 bis 2011 hat die Deutsche Wildtier Stiftung mit finanzieller Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) das Projekt „ Jungvogelmanagement – eine Sofortmaßnahme zur Unterstützung der bedrohten Population des Schreiadlers“ umgesetzt.
Jungvogelmanagement – eine Sofortmaßnahme zur Unterstützung der bedrohten Population des Schreiadlers (2006-2011)
Ziel des Projektes „Jungvogelmanagement“ war, den Bruterfolg der Schreiadler in Brandenburg durch Manipulation der Anzahl ausgebrüteter Jungvögel kurzfristig zu erhöhen, bis mittelfristig andere Schutzbemühungen zum Erfolg führen. Darüber hinaus sollte mit Hilfe der Telemetrie der Erfolg der Jungvogelaufzucht überprüft und dokumentiert werden. Dazu wurde das zweitgeborene Schreiadlerküken („Abel“) dem Horst entnommen und getrennt mittels „Fostering“ (2007/ 2008) und „Hacking“ (2009-2011) aufgezogen. Um die Anzahl „gemanagter“ Jungvögel zu erhöhen, wurden „Abels“ auch in Lettland aus den Horsten entnommen und nach einer ersten Aufzuchtphase nach Deutschland verfrachtet.
Kooperationspartner in dem Projekt waren Dr. Uģis Bergmanis, Prof. Dr. K. Graszynski, Dr. T. Langgemach, Prof. Dr. B.-U. Meyburg, Dr. W. Scheller und P. Sömmer.
In den Jahren 2007 bis einschließlich 2011 sind in Brandenburg insgesamt 57 Jungadler auf natürliche Weise ausgeflogen. Hinzu kamen 64 Jungadler im Rahmen des Projektes Jungvogelmanagement, 50 von ihnen stammten aus lettischen Brutgebieten. Damit konnte die natürliche Reproduktionsrate in diesen Jahren um 112 % gesteigert werden. Darüber hinaus wurden 49 Jungvögel mit Sendern ausgestattet. Alle besenderten Jungadler zogen zu einem normalen Zeitpunkt aus den Brutgebieten ab. Wie erwartet war die Sterblichkeit während des ersten Zuges jedoch sehr hoch. Die häufigste nachvollziehbare Todesursache der gemanagten Jungvögeln war Ertrinken. Damit einher geht eine nicht signifikante Beobachtung, dass gemanagte Jungadler im Vergleich zu ungemanagten eher in südliche statt in süd-östliche Richtung abzogen. Keinen Unterschied gab es bei der Abzugsrichtung zwischen den Vergleichsgruppen der deutschen und der aus Lettland verfrachteten Jungadler. Von den sechs im Rahmen des Projektes Jungvogelmanagement besenderten Altadlern sind drei nach der ersten Überwinterung in ihr ehemaliges Brutgebiet zurückgekehrt und hatten zum Teil auch Bruterfolg.
Die Ergebnisse des Projektes haben gezeigt, dass mit Hilfe von Jungvogelmanagement beim Schreiadler eine erhebliche Steigerung der Reproduktionsrate von lokalen Populationen möglich ist. Durch die Methode des „Hacking“ konnten weit mehr Jungvögel aufgezogen werden, als es durch das „Fostering“ möglich gewesen wäre.
Zu dem Abschlussbericht des Projektes „Jungvogelmanagement“ gelangen Sie hier.
Nachträglicher Erfolg im Jahr 2014
Im Jahr 2014 gab es einen schönen nachträglichen Erfolg aus dem Projekt zum „Jungvogelmanagement“: Ein im Projekt „gemanagter“ Jungvogel, der seine ersten Lebensmonate in menschlicher Obhut verbrachte, hat erstmals in Brandenburg erfolgreich gebrütet.
Dank einer Kooperation mit lettischen Schreiadler-Experten wurden in dem DBU-geförderten Projekt zweitgeborene Jungvögel auch in Lettland entnommen und zur Aufzucht nach Deutschland geflogen. Einer dieser lettischen Einwanderer wurde anhand seiner Ringnummer „KN“ getauft. Er ist 2009 in Lettland geschlüpft, wurde in eine Aufzuchtstation nach Brandenburg gebracht und dort im Spätsommer des gleichen Jahres ausgewildert. 2011 kehrte „KN“ erstmals wieder zur Auswilderungsstation zurück und brachte 2012 sogar ein Weibchen mit. 2013 adoptierte „KN“ einen ausgewilderten Jungadler – für eigenen Nachwuchs war er da noch zu jung. 2014 folgte schließlich unweit der Auswilderungsstation die erste erfolgreiche Aufzucht eines Jungvogels durch „KN“.
Wissenschaftliche Veröffentlichung 2017
Die Partner des damaligen Projektes Jungvogelmanagement haben 2017 die wissenschaftlichen Auswertungen zum Zugverhalten junger Schreiadler im angesehenen Journal of Experimental Biology veröffentlicht. Und die Forschungsergebnisse der über 50 im Projekt telemetrierten Schreiadler lassen sich sehen: Das Team hat herausgefunden, dass junge Schreiadler auf den Anschluss an erfahrene Altvögel angewiesen sind, um die beste Zugroute über den Bosporus ins südliche Afrika zu finden. Allein ziehende Jungadler aus Deutschland zogen dagegen tendenziell eher in Richtung Süden und verendeten dann zwischen Italien und Afrika im Mittelmeer.
Und noch ein weiteres Phänomen wurde durch das Projekt der Deutschen Wildtier Stiftung beobachtet: „Importierte“ Jungadler, die in Lettland aus dem Horst entnommen und in Deutschland per Hand aufgezogen wurden, betrachten die Region ihrer Auswilderung als ihr angestammtes Brutgebiet und nicht ihren Geburtsort. Einige der aus Lettland importierten Jungvögel wurden nämlich später als Brutvögel in Deutschland und Polen beobachtet. Ein in Lettland geborenes und später in Brandenburg ausgewildertes Männchen besetzte in den Folgejahren sogar ein Revier in nur wenigen Kilometern Entfernung von der Auswilderungsstation.
Zu der Veröffentlichung im Journal of Experimental Biology gelangen Sie hier.
Noch lange auf Sendung
(Stand: Februar 2015) Einige der im DBU-geförderten Projekt Jungvogelmanagement besenderten Schreiadler haben noch lange Jahre regelmäßig ihre Positionsdaten an die Weltarbeitsgruppe Greifvögel e.V.. Der Schreiadler mit der Kennringnummer 94743 („Rainer“) wurde im Jungvogelprojekt am 25. Juli 2009 als Nestling in M-V besendert. 2014 hat dieses Männchen erstmals erfolgreich einen Jungadler in M-V an einem neuen Brutplatz aufgezogen. Es ist bisher der erste Schreiadler, dessen Leben vom Ausfliegen aus dem elterlichen Horst bis zur eigenen Ansiedlung und erfolgreichen Brut telemetriert werden konnte. Über diese Lebensphase ist bei praktischen allen Greifvögeln extrem wenig bekannt. Wo übersommern sie in den ersten Lebensjahren, wann kehren sie erstmals ins Brutgebiet zurück, wann besetzen sie ein eigenes Revier, wann versuchen zu zum ersten Mal zu brüten und wann haben sie Erfolg? Das sind nur einige von vielen Fragen, die jetzt für dieses Tier beantwortet werden können, eine wirkliche „Weltpremiere“. Es ist nicht bekannt, ob bei einer anderen Greifvogelart oder Vogelarten überhaupt eine derartige Langzeittelemetrie bisher gelang.
95786 („Felix“) wurde am 25. Juli 2010 als Nestling im Rahmen des Projektes „Jungvogelmanagement“ in M-V besendert. Dieser sehr wahrscheinlich weibliche Adler wird bisher seit vier Jahren nach dem Ausfliegen telemetriert. Auch von diesem Individuum sind die genauen Aufenthalte im Sommer und Winter sowie auf dem Zug genau dokumentiert. 2014 hat dieser Adler noch nicht gebrütet, aber viele Horstplätze in M-V besucht.
74996 („Arno“): Dieses ad. Männchen in BB wurde am 5. August 2007 besendert. Im Winter 2013/2014 verlor der Adler seinen Sender in Mosambik. Er traf verspätet am alten Brutplatz ein. Ein neues Männchen war bereits dort. Mittels automatischer Wildkamera konnte der Vogel mithilfe seines Kennrings identifiziert werden.
94739 (mit Kennring „KZ“) ist ein im Rahmen des Projektes „Jungvogelmanagement“ aus Lettland transloziertes Weibchen. Es handelt sich um eines von 50 aus Lettland importierten Zweitjungen („Abel“), die bekanntlich fast keine Überlebenschance im eigenen Horst haben. Sie wurden in Brandenburg im Rahmen des Projektes der Deutschen Wildtier Stiftung zur Erhöhung der Jungenzahl teilweise in Wildhorste eingesetzt, überwiegend jedoch in einer sog. „Hacking-Station“ ausgewildert.
Das Weibchen 94739 kehrte jedoch nicht nach Deutschland zurück, sondern siedelte sich in den Masuren (NE-Polen) an. Das liegt etwa auf halber Strecke zwischen dem Geburtsort in Lettland und dem Auswilderungsort in Brandenburg. Durch Kennberingung ist bekannt, dass sich Weibchen oft relativ weit vom Geburtsort ansiedeln können, viel häufiger als Männchen. Inzwischen ist der Funkkontakt jedoch abgebrochen.