Der Ausbau der Windenergie in Deutschland ist weit fortgeschritten. Mittlerweile stehen allein an Land über 30.000 Windenergieanlagen (WEA). Nach den politischen Vorgaben vom Bund und Ländern soll die Windenergie den wesentlichen Beitrag zur Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen leisten. Dafür müssten noch deutlich mehr Anlagen gebaut werden. Mit der Zahl der Windenergieanlagen steigt jedoch auch das Kollisionsrisiko für viele Großvogelarten.
Die Gefahr die durch die Rotorblätter für Schreiadler bestehen sind eindeutig. Mehrfach wurden in den letzten Jahren Verluste durch Kollisionen dokumentiert.
Dass für den Erhalt der kleinen Restpopulationen des Schreiadlers jedes Individuum einen hohen Wert besitzt, ist offensichtlich und wurde durch eine Populationsmodellierung aus Brandenburg belegt (Langgemach & Böhner 2011).
Schreiadler meiden die Nähe von WEA aber vor allem aufgrund der vielen Störungen, die durch den Betrieb der Anlagen entstehen. Von den WEA geht nicht nur eine direkte Scheuchwirkung aus, sondern sie könnten auch die Gefahr einer großräumig wirkenden Habitatverfremdung bewirken. Durch eine Studie von Dr. Wolfgang Scheller (2007) konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Bruterfolg und dem Index aus Anzahl von WEA und Entfernung der WEA zum Brutplatz innerhalb des Hauptaktionsraumes der Schreiadler von bis zu drei Kilometer um den Brutplatz festgestellt werden. Außerhalb des Hauptaktionsraumes war dieser signifikante Zusammenhang nicht nachweisbar.
Windenergieanlagen können zu einem beträchtlichen Verlust des Anteiles an Nahrungsflächen innerhalb des Hauptaktionsraumes führen.
Da Schreiadler in ihren Brutgebieten ein unterschiedliches Potenzial an nutzbaren Flächen in den Hauptaktionsräumen zur Verfügung haben, können die Auswirkungen auf die Lebensraumqualität ein unterschiedliches Ausmaß erreichen. Da immer intensivere Bewirtschaftungsweisen in Land- und Forstwirtschaft in vielen Schreiadler-Brutrevieren zu schlechteren Lebensraumbedingungen führen, sind die Brutplätze mit ihrem Umfeld von möglichst sechs Kilometern von weiteren Belastungen zu verschonen, um den Schreiadlern ausreichende Nahrungsressourcen zu sichern.
Das „Neue Helgoländer Papier“
Die Umweltminister der Bundesländer haben 2015 die Freigabe des sogenannten „Neuen Helgoländer Papiers“ der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) beschlossen. Das Papier formuliert Abstandsempfehlungen für WEA zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie zu den Brutplätzen ausgewählter Vogelarten. Für den Schreiadler wird ein Abstand von 6.000 Meter zum Brutplatz empfohlen. Damit hat sich sein empfohlener Schutzbereich deutlich erweitert, denn davor wurde der Bereich zwischen 3.000 und 6.000 Meter lediglich als Prüfbereich formuliert. Das „Neue Helgoländer Papier“ spiegelt den Stand der Forschung zur Gefährdung von Vögeln durch WEA wider und bildet damit auch einen fachlichen Rahmen zur Genehmigung von WEA. Die Bundesländer können im Genehmigungsverfahren für WEA jedoch von den Empfehlungen abweichen.
Das „Neue Helgoländer Papier“ finden Sie hier.
Zerstörung von Horsten im Planungsbereich von Windenergieanlagen
Leider kommt es in Planungsgebieten für WEA immer wieder zu illegalen Nest- oder Horstbaumzerstörungen von Greifvögeln. Der Grund für die mutwilligen Zerstörungen sind Auflagen, nach denen das Vorkommen von geschützten Arten die Genehmigung von WEA verhindern oder erschweren. Betroffen sind neben dem Schreiadler auch Rotmilane,Seeadler, Schwarzstörche, Baumfalken oder auch der Uhu. Obwohl es sich dabei um Straftaten handelt, die mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden können, liegt die Aufklärungsquote nahezu bei Null.
Das wahre Ausmaß der Horstzerstörungen und Tötungen bleibt unerkannt.
Die Deutsche Wildtier Stiftung ruft seit einigen Jahren gemeinsam mit weiteren Institutionen dazu auf, Fälle von Verfolgung geschützter Arten und besonders Zerstörungen von Großvogelhorsten oder Fledermausquartieren bekannt zu machen. Seither wurden erschreckend viele Fälle gemeldet, die durch Zeugen, Fotos oder ähnliches belegt waren. Artenschutzrechtliche Verstöße im Zusammenhang mit WEA können über die Deutsche Wildtier Stiftung gemeldet werden.